«Den persönlichen Stil entwickeln.»

Die postgraduale Weiterbildung am IEF ist nun beim Bund offiziell akkreditiert. Die verantwortliche Bereichsleiterin Stephanie Rösner zeigt im Gespräch, was sich in der Psychotherapieausbildung verändert hat und wo die Kontinuität dominiert.
 

Die postgraduale Weiterbildung «Systemische Therapie und Beratung» des IEF erhielt vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Akkreditierung. Was bedeutet dies für ein kleines, privates Institut?

Ja, das IEF ist im Vergleich zu den Hochschulen ein eher kleines Institut. Durch die Akkreditierung des Weiterbildungsgangs stehen wir hier Seite an Seite mit anderen Instituten und den staatlichen Hochschulen, auch wenn sich die inhaltlichen Schwerpunkte jeweils unterscheiden. Die Akkreditierung beim BAG ermöglicht es uns, die lange Tradition der systemischen Weiterbildung nicht nur weiterzuführen, sondern auch ständig weiterzuentwickeln. Das IEF verfügt nicht über die gleichen Ressourcen wie eine Hochschule – insbesondere im Bereich der Forschung. In kleineren Instituten sind jedoch Anpassungen schneller möglich, der Kontakt ist persönlicher, das Lehren und Lernen in der Weiterbildung praxisorientierter. Es ist sehr bedauerlich, dass Studierende an den Universitäten wenig über systemische Therapie erfahren, obwohl sie im deutschen Sprachraum zu den bedeutenden und wissenschaftlich anerkannten Therapieverfahren zählt. Umso wichtiger ist es, dass systemische Psychotherapie als postgraduale Weiterbildung angeboten wird. Darin sehen wir unseren Auftrag.

Neu heisst die Weiterbildung «Systemische Psychotherapie». Was bedeutet diese Namensänderung?

Mit der neuen Namensgebung unterstreichen wir den Schwerpunkt des Weiterbildungsgangs, die systemische Psychotherapie. Wir haben lange diskutiert, ob wir das bisherige Modell beibehalten und in den Grundlagenseminaren weiterhin angehende Psychotherapeut/innen und angehende Berater/innen gemeinsam unterrichten sollten. Dies geht auf eine lange Tradition zurück, da sich das Menschenbild und die Grundhaltung in systemischer Therapie und systemischer Beratung nicht unterscheiden. Auch viele Techniken und Methoden werden von beiden Berufsgruppen angewendet. Durch die gemeinsamen Seminare entsteht eine gemeinsame Sprache, die für eine interprofessionelle Zusammenarbeit wertvoll ist. Der Blick über den eigenen Tellerrand wird gefördert, indem die Weiterzubildenden die Berufsbilder anderer, angrenzender Professionen und deren Aufgabenbereiche kennenlernen, was wiederum das eigene Berufsbild schärft.

Dennoch entschieden wir uns für eine Trennung von systemischer Therapie und systemischer Beratung. In der Lehre ermöglicht dies, mit Beginn der Weiterbildung das eigene Rollenprofil als Psychotherapeut/in stärker in den Fokus zu stellen, zu vertiefen und zu reflektieren. Dies erfolgt nun nicht mehr in Abgrenzung zur Beratung. Ein systemischer Umgang mit Störungen und Diagnosen in der Psychotherapie wird von Beginn an diskutiert und reflektiert. Die auf einem systemisch-humanistischen Menschenbild basierende therapeutische Grundhaltung zieht sich von Beginn an als roter Faden durch die gesamte Weiterbildung. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Psychotherapieschulen werden ebenfalls thematisiert und ausführlich diskutiert.

Welche zusätzlichen Weiterentwicklungen wurden in den letzten Jahren vollzogen?

Weiterentwicklungen fanden auf unterschiedlichen Ebenen statt. Wir sind stetig daran, unser Qualitätsmanagement zu verbessern. Beispielsweise wurden die Fragebögen zur Evaluation der Seminare überarbeitet; sie werden seit Herbst 2015 elektronisch bereitgestellt. Weiterhin wurde ein Kompetenzmodell eingeführt, das die Kompetenzen beschreibt, über die Psychotherapeut /innen verfügen sollten. Die zu erwerbenden Kompetenzen bestimmen die für die einzelnen Seminare beschriebenen Lernziele und Lerninhalte, einschliesslich der dazu passenden didaktischen Umsetzung. Seit vielen Jahren ermöglichen mehrere Standortbestimmungen den Weiterzubildenden, ihren individuellen Lern- und Entwicklungsprozess darzustellen und zu reflektieren. Neu in diesem Zusammenhang ist die Erstellung eines Portfolios.

Auch neue Themen finden Eingang in die Weiterbildung, so zum Beispiel «Psychotherapie mit älteren Menschen» oder «Transkulturelle Kompetenzen in der Psychotherapie» und «Ethik in der Psychotherapie». In Zukunft werden in den Vertiefungsseminaren die störungsspezifischen Aspekte und ein systemischer Umgang damit eine stärkere Rolle spielen.

Wie unterscheidet sich die Ausbildung am IEF von anderen Psychotherapieausbildungen?

Systemische Psychotherapie zeichnet sich, stärker als andere Psychotherapieschulen, durch ihre ressourcenorientierte Haltung aus. Dies beinhaltet, als störend empfundene Verhaltensweisen oder Symptome auch als Ressourcen zu betrachten und als solche zu nutzen. Es ist Teil unserer Arbeit, Klienten diesen Perspektivenwechsel zu ermöglichen und sie darin zu begleiten. Veränderungsprozesse, die mihilfe von Psychotherapie angestossen und begleitet werden, verstehen wir als Veränderung von Beziehung: Veränderung der Beziehung zwischen Menschen, beispielsweise der Familienmitglieder untereinander, Veränderung der Beziehung zu sich selbst, Veränderung der Beziehung eines Menschen zu seinen Symptomen oder der Familienmitglieder zu den Symptomen eines Familienmitglieds oder die Veränderung der Beziehung der Psyche, die fühlt und bewertet, zum eigenen Körper. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Weiterbildungen in systemischer Psychotherapie ist sicherlich die Integration der hypnotherapeutischen Wurzeln und damit verbundene hypnosystemische Elemente. Eine weitere Besonderheit der Weiterbildung am IEF ist sicher die, dass die Teilnehmenden die Möglichkeit haben, viele Lehrtherapeut /innen zu erleben, die zwar alle systemisch arbeiten, sich in ihrem persönlichen Stil aber sehr unterscheiden. Auch die Weiterzubildenden müssen ihren persönlichen Stil entwickeln. Der eigene Stil ist geprägt durch Persönlichkeit und Professionalität. Persönlichkeitsentwicklung und die Fähigkeit zur Selbstreflexion spielen dabei eine zentrale Rolle. Ziel ist es, die Sicherheit zu erlangen, die es ermöglicht, flexibel mit Klient /innen mit unterschiedlichen psychischen Symptomen in unterschiedlichen Settings zu arbeiten.

Was ist sonst noch besonders am IEF?

Die Mitarbeitenden leben das, was sie lehren und was im Leitbild des IEF beschrieben ist. Sie zeichnen sich aus durch ein hohes Mass an Engagement, Spass an der Sache, Überzeugung von der Wirksamkeit therapeutischen Arbeitens durch die eigene Berufspraxis. Das IEF ist innovativ, die Mitarbeitenden entwickeln sich und ihre Produkte stetig weiter. Besonders im IEF ist auch das Zusammenwirken der vier Bereiche systemische Psychotherapie und systemische Supervision, hypnosystemische Fortbildungen, Mediation und Konfliktmanagement sowie Elterncoaching. Die Ergänzung, die sich aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der verschiedenen Bereiche und beruflichen Disziplinen ergibt, erleben wir in unseren Diskussionen und unserer Zusammenarbeit als sehr bereichernd. Wahrzunehmen, dass uns dabei viel verbindet, stärkt uns in unseren Vorhaben. Verbindend sind beispielsweise eine respektvolle, wertschätzende Grundhaltung gegenüber Personen, Kontexten und «Symptomen», die Würdigung von Leidenserfahrungen, das Denken in komplexen Zusammenhängen und Wechselwirkungen, die Gewissheit, dass jede Beobachtung abhängig von ihrem Beobachter ist, Lösungsorientierung und Ressourcenaktivierung, die wachsende Vielfalt an Perspektiven und Optionen sowie die Vernetzung von Lehre und Praxis.

 

Das Gespräch mit Stephanie Rösner ist publiziert im IEF-Magazin Nr. 6, Frühling 2018.